Ihr möchtet euch ein neues Objektiv zulegen und überlegt, welche Brennweite am besten zu euren Fotografie-Gewohnheiten passt? Wir geben euch einen Überblick über die verschiedenen Objektivklassen und Brennweitenbereiche und zeigen euch anhand von Praxisbildern, welche Aufnahmen mit welcher Brennweite möglich sind.
Das Weitwinkel

In der Weitwinkel-Klasse wird zwischen einem normalen Weitwinkel und einem Ultra-Weitwinkel unterschieden. Von einem Weitwinkel spricht man in der Regel bei Brennweiten um die 24 Millimeter im Kleinbildformat. Auch 35 Millimeter werden häufig noch als weitwinklig bezeichnet. Ultra-Weitwinkel beginnen dagegen im Bereich um die 14 oder 16 Millimeter (KB). Wie der Name schon sagt, zeichnet sich das Weitwinkel durch einen sehr breiten Aufnahmewinkel aus. Ein 24 mm kann an einer Vollformatkamera einen Bildwinkel von rund 84 Grad abbilden. Mit einem 14 mm kommt man sogar auf circa 114 Grad. Zum Vergleich: Ein 35 mm bildet an der Vollformatkamera 63 Grad ab. Ein 50 mm kommt auf 47 Grad. Weitwinkelobjektive eignen sich damit vor allem für weitläufige Landschaftsaufnahmen und Architekturbilder von hohen Gebäuden und großen Plätzen. Auch in der Astrofotografie kommen bevorzugt Weitwinkelobjektive zum Einsatz.
Fotografiert ihr mit einer APS-C-Kamera oder einem Modell aus dem Micro FourThirds-System, wird bei den Brennweiten der Verlängerungsfaktor mit einberechnet. Würdet ihr zum Beispiel ein 24 mm Vollformat-Weitwinkel an eine APS-C-Kamera mit einem Verlängerungsfaktor von 1,5 setzen, entspräche der Bildwinkel nur noch dem eines 36 mm-Vollformatobjektivs. Deshalb findet ihr auf Weitwinkel-Objektive, die speziell für die kleineren Sensorformate gebaut werden, nochmal deutlich niedrigere Brennweitenwerte. So entspricht zum Beispiel das Sony E 10–18 mm F4 OSS einem Brennweitenbereich von umgerechnet 15-27 mm im Kleinbildformat.
Weitere Motivideen für weitwinklige Objektive
Auch wenn Weitwinkelobjektive als klassische Landschafts- und Architektur-Objektive gelten, lassen sie sich auch für andere Aufnahmebereiche einsetzen. Manche Weitwinkelobjektive haben eine recht kurze Naheinstellgrenze. So gelingt es, recht nah an ein Objekt heranzugehen und durch den großen Bildwinkel gleichzeitig eine spannende Tiefenwirkung zu erzeugen. Der Hersteller Laowa hat zum Beispiel ein 15 mm f/4 Macro 1:1 Shift für Canon EF und Nikon F im Programm, das sogar Makroaufnahmen im Abbildungsmaßstab 1:1 bei einem gleichzeitigen Bildwinkel von 110 Grad ermöglicht.

Grundsätzlich sind auch Porträt-Aufnahmen mit einem Weitwinkelobjektiv möglich. Hier müsst ihr allerdings einen Aspekt bedenken, der in der Weitwinkelklasse typisch ist. Objekte, die bei einem Weitwinkel am Bildrand platziert sind, werden teils deutlich auseinandergezogen und somit etwas verzerrt. Arme und Beine können dadurch zum Beispiel sehr langgezogen wirken. Auch Gesichter werden etwas verzerrt, wenn sich der Kopf nahe am Bildrand befindet. Es gibt daher zwei Möglichkeiten. Entweder platziert ihr die Person ganz mittig im Bild und geht tendenziell eher einen Schritt zurück, oder ihr nutzt das Weitwinkel für Ganzkörperporträts, die den Hintergrund mit einbinden. Dann ist die Person im Bild im Verhältnis kleiner und wird nicht ganz so stark verzerrt.
Bei starken Weiwinkeln können Beine und Arme am Bildrand verzerrt wirken. Mit einem 35 mm am oberen Weitwinkelende wirken die Proportionen bei Porträts vorteilhafter.
Festbrennweite oder Zoom?
In allen Objektivklassen könnt ihr euch zwischen Festbrennweiten und Zooms entscheiden. Zoom-Objektive haben den Vorteil, dass ihr die Brennweite flexibel verändern könnt. Mit einem Ultra-Weitwinkel-Zoom, wie etwa dem Canon RF 14-35mm F4 L IS USM oder dem Nikon Nikkor Z 14–30 mm 1:4 S, kommt ihr am oberen Brennweitenende mit 30 und 35 mm sogar bis in den weitwinkligen Reportage-Bereich hinein. Im Vergleich zu Weitwinkel-Festbrennweiten kann es euch bei einem Weitwinkel-Zoom aber passieren, dass ihr stärkere Verzerrungen an den Bildrändern bemerkt. Die lassen sich aber üblicherweise in der Bildnachbearbeitung beheben. Neben der besseren Korrektur typischer Abbildungsfehler sind Weitwinkel-Festbrennweiten zudem mit höheren Lichtstärken erhältlich. Beim Sony FE 14 mm F1.8 GM für Vollformatkameras im E-System lässt sich die Blende zum Beispiel sehr weit bis auf f/1,8 öffnen.
Das Normalobjektiv und das Standardzoom

Bei Brennweitenbereichen zwischen 40 und 70 Millimetern im Kleinbildformat spricht man von Normalobjektiven und Standardzooms. Die Bezeichnung Normalobjektiv hängt mit dem Sichtfeld unserer Augen zusammen. Objektive von 40 bis 60 Millimeter (KB) entsprechen am ehesten unserem gewohnten Blickfeld. 70 Millimeter gehen schon in den leichten Telebereich über und werden gerne in so genannten Standardzooms mit einem Brennweitenbereich um die 24-70 mm (KB) integriert.
Standardzooms sind sehr beliebt und gelten bei vielen Fotografen als das klassische „Immer-drauf-Objektiv“. Mit Brennweiten von 24-70 mm deckt es viele typische Aufnahmebereiche ab. Von Landschaften und Architektur, über Reportage und Streetlife, bis hin zu Porträts ist alles möglich. Möchtet ihr gerne während der Dämmerung aus der Hand fotografieren, oder für Porträts die Blende für ein schönes Bokeh möglichst weit öffnen, empfehlen wir euch durchgängig lichtstarke Standardzooms mit einer konstanten, maximalen Blendenöffnung f/2,8.
Aufgenommen mit 50 mm (KB).
Bei Objektiven für kleinere Sensoren werden auch hier wieder kürzere Brennweiten angegeben, die dann mit dem jeweiligen Verlängerungsfaktor multipliziert werden. So entspricht zum Beispiel das Olympus M.Zuiko Digital ED 12–40mm F2.8 PRO durch den Verlängerungsfaktor x2 im MFT-System einer Kleinbildbrennweite von 24-80 mm.
Das Teleobjektiv

Die Klasse der Teleobjektive beginnt mit leichten Tele-Brennweiten um die 70 bis 100 Millimeter. Dieser Brennweitenbereich ist vor allem in der Porträt- und Makrofotografie sehr beliebt. Die 85 mm-Festbrennweite gehört bis heute zu den Klassikern für Porträts. Ihr erreicht damit natürliche Porträtaufnahmen ohne Verzerrungen und aus einem angenehmen „Wohlfühl-Abstand“ zwischen euch und eurem Model. Zudem werden viele Makro-Objektive mit Kleinbildbrennweiten um die 90 und 100 mm angeboten. Das gibt euch übrigens die Möglichkeit, mit einem Makro nicht nur spannende Nahaufnahmen, sondern auch schöne Porträts aufzunehmen.
Neben den genannten Festbrennweiten im leichten Telebereich sind Telezooms sehr beliebt. Hier haben sich 70-200 mm im Kleinbildformat als ein beliebter Brennweitenbereich durchgesetzt. Erfahrene Fotografen greifen hier gerne zur lichtstarken Variante mit einer durchgängigen Blendenöffnung f/2,8. Die 70-200 mm eignen sich zum Beispiel gut für die Event-Fotografie und Reportagen. Häufig kann man bei Veranstaltungen und Hochzeiten nicht immer nah an seine Motive herangehen. Da sind lichtstarke Telezoom bis 200 mm optimal.
Ultra-Tele für Sport- und Tieraufnahmen
Während 200 und 300 Millimeter zum klassischen Telebereich gehören, werden noch längere Brennweiten von 400 bis 600 Millimeter als Ultra-Tele bezeichnet. Dabei empfehlen sich Brennweiten ab 300 Millimeter vor allem für die Sport- und Tierfotografie. Also für jene Motive, an die man nicht so gut nah herangehen kann, weil es zum Beispiel nicht möglich, oder zu gefährlich ist. Auch bei ungefährlichen, aber scheuen Tieren ist es besser, aus der Ferne zu fotografieren. Wenn ihr hier möglichst flexibel bleiben möchtet, könnt ihr euch ein Ultra-Telezoom zulegen. Da gibt es einige Möglichkeiten, wie etwa das Sigma 100-400 mm F5-6,3 DG DN OS (C) und das Tamron 150-500 mm F/5-6.7 Di III VC VXD (Modell A057).
Um die Telebrennweiten abzuschließen, möchten wir noch auf einen interessanten Effekt hinweisen, der nur mit einem Tele möglich ist. Durch die langen Brennweiten wirken nach hinten gestaffelte Objekte, als würden sie viel näher beisammen stehen als es der Realität entspricht. Man spricht deshalb auch von einer Verdichtung. Das kann zum Beispiel bei Natur- und Architekturaufnahmen sehr spannend wirken, wenn man Gebäude oder Bäume staffelt.
Das Reisezoom
So genannte Reisezoom-Objektive sind eine Sonderform, die im Grunde alle vorher genannten Brennweitenbereiche miteinander kombinieren. Das neue Tamron 18-300 mm F/3.5-6.3 Di III-A2 VC VXD für Sonys APS-C-Kameras im E-System entspricht mit dem Verlängerungsfaktor x1,5 zum Beispiel einer Kleinbildbrennweite von 27-450 mm. Aus diesem Grund werden Reisezooms auch als Allroundzooms bezeichnet. Der Vorteil liegt auf der Hand: Mit einem solchen Objektiv braucht ihr auf Reisen im Grunde kein anderes Objektiv mehr mitzunehmen, weil ihr nahezu alle Motive mit der gegebenen Brennweite festhalten könnt. Der Nachteil: Ein solcher Zoombereich ist bei der optischen Konstruktion immer mit Kompromissen verbunden. So erreicht ihr mit einem Reisezoom in der Regel nicht die hohe Abbildungsleistung, wie sie mit einer Festbrennweite oder einem Zoom mit kürzerer Brennweitenspanne möglich ist. Reise- oder Allroundzooms werden deshalb häufig eher in der APS-C-Klasse angeboten, da die Abbildungsleistung für professionelle Ansprüche nicht ausreicht.

Da aber auch in der Vollformatklasse Kameras für Vollformat-Einsteiger aus dem Hobbybereich angeboten werden, gibt es ebenfalls einige wenige Allround-Zooms direkt für Vollformatkameras. Dazu gehören zum Beispiel das Canon RF 24-240 mm F4-6.3 IS USM, das Nikon Nikkor Z 24–200 mm 1:4–6,3 VR und das Tamron 28-200 mm F/2.8-5.6 Di III RXD für Sony E.