Available Light: Die wichtigsten Grundlagen

Viele Fotografen arbeiten am liebsten mit dem natürlichen Licht, im Fachjargon Available Light. Wir zeigen euch, wie (fast) ohne Hilfsmittel starke Fotos gelingen.

Der englische Begriff „Available Light“ heißt übersetzt „vorhandenes Licht“. Fotografieren bei Available Light bedeutet, das in der jeweiligen Aufnahmesituation verfügbare Licht zu nutzen, um Motive auszuleuchten. Das kann die Sonne als natürliche Lichtquelle sein, aber auch eine künstliche, wie zum Beispiel Straßenlaternen oder Autoscheinwerfer. Im ersten Moment klingt das nach einer Einschränkung, da man anders als beim Einsatz von Blitzen weder die Intensität noch die Richtung des Lichts bestimmen kann. Doch in der Available-Light-Fotografie geht es mehr darum, die Lichtsituation vor Ort zu beachten und deren Stimmung im Bild wiederzugeben.

Ein Beispiel sind Konzertbilder, auf denen Scheinwerfer, Lichtshows oder Rauch für Atmosphäre sorgen. In der Available Light-Fotografie werden weder Blitze noch andere zusätzliche Lichtquellen eingesetzt. Das freut vor allem viele Hobbyfotografen, da sie unmittelbar loslegen können, ohne sich teures Equipment anschaffen zu müssen. Doch ganz nach dem Motto „Leicht zu lernen, hart zu meistern“ kommt es hier vor allem auf die Praxis an. Wir haben die wichtigsten Grundlagen für euch zusammengefasst.

Das Equipment

Kamera

Für Available Light-Fotos braucht ihr nicht viel. Meistens reicht es aus, wenn ihr einfach eine Kamera und ein Objektiv einpackt. Dabei müsst ihr euch bei der Wahl der Kamera keine großen Gedanken machen. Die Available Light-Fotografie ist grundsätzlich mit jeder Kamera möglich. Möchtet ihr allerdings bevorzugt bei schwierigen Lichtbedingungen fotografieren, müsst ihr sehr wahrscheinlich mit der ISO-Empfindlichkeit hochgehen. In dem Fall empfiehlt sich eine Kamera mit einem größeren Sensor und einem guten Rauschverhalten. Zwischen ISO 800 und 1600 sollte noch kein störendes Rauschen auftreten und im Idealfall sehen die Bilder bei ISO 3200 immer noch gut aus.

Objektiv

Viel wichtiger als die Kamera ist in der Available Light-Fotografie das Objektiv. Das sollte so lichtstark wie möglich sein, damit auch bei schwächerem Licht noch genügend Licht auf den Sensor fällt. Hier sind vor allem Festbrennweiten zu empfehlen. Eine Anfangsblende von f/2,8 sollte das Objektiv mindestens haben. Noch mehr Möglichkeiten bieten euch Festbrennweiten mit Anfangsblenden von f/1,8 oder f/1,4.

Darüber hinaus lassen sich viele Objektive aus analogen Zeiten per Adapter an modernen Kameras anbringen. Ihr großer Vorteil: Sie sind teilweise schon für unter 100 Euro zu haben und fallen oft sehr lichtstark aus. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten und in diesem Fall müssen Sparfüchse auf einen Autofokus verzichten. Entweder haben die Linsen keinen oder die Elektronik ist nicht mit modernen Digitalkameras kompatibel. Zudem können gerade günstige Optiken mit der Abbildungsleistung aktueller Modelle meistens nicht mithalten. Dafür weisen die Bilder einen ganz eigenen Charme auf, und bei solchen Preisen sollte man es zumindest mal ausprobiert haben.

Zubehör

Rollei Lion Rock Traveler S

Jedes weitere Zubehör ist optional, kann sich aber stellenweise lohnen. Beispielsweise hilft ein Stativ bei Stillleben oder Makros, das Bild präzise auszurichten. Außerdem lassen sich mit einem Stativ längere Belichtungszeiten bei einer niedrigen ISO umsetzen. Das lohnt sich vor allem dann, wenn sich das Motiv nicht bewegt, wie etwa bei der Landschaftsfotografie. Auch ein 5-in-1-­Reflektor kann nützlich sein, um Motive aufzuhellen. Er ist vielseitig einsetzbar und mit einem Preis zwischen 10 und 20 Euro sehr günstig in der Anschaffung.

Herausforderung: Freihandaufnahmen bei schwachem Licht

Auch wenn der Einstieg in die Available-Light-Fotografie mit wenig Equipment sehr einfach erscheint, gibt es eine Herausforderung, die etwas Übung bedarf: die Freihandaufnahme bei schwachem Licht. Hier kann es schnell zu Verwacklungen kommen, wenn ihr längere Belichtungszeiten aus der Hand fotografieren möchtet. Um Verwacklungen zu vermeiden, sollte die Verschlusszeit bei Aufnahmen aus der Hand idealerweise nicht länger ausfallen als der Kehrwert der Brennweite. Bei einem 50 mm sollte die Verschlusszeit also nicht länger als eine 1/50 Sekunde sein. Diese Regel gilt für Kamera-Objektiv-Kombinationen ohne Bildstabilisierung. Mit einer Stabilisierung sind auch etwas länger Verschlusszeiten möglich. Hier sind vor allem die Systeme im Vorteil, die sowohl im Objektiv als auch am Sensor in der Kamera stabilisiert sind. Sollte es bei längeren Verschlusszeiten dennoch zu Verwacklungen kommen, könnt ihr die ISO-Empfindlichkeit an der Kamera erhöhen oder die Blende des Objektivs weiter öffnen.

Das Licht

Wer mit dem Available Light fotografieren möchte, muss das Licht erst verstehen lernen, bevor er es nutzen kann. Das geht am besten mit einer Analyse der vor Ort gegebenen Lichtsituation, bei der man sich immer drei Fragen stellen sollte: Aus welcher Richtung kommt das Licht? Ist es hart oder weich? Welche Atmosphäre schafft es? Auch hängt die Beschaffenheit des Lichts zumeist vom Wetter und der Tageszeit ab, sodass zu einem späteren Zeitpunkt das gleiche Bild komplett anders aussehen kann. Entgegen der Annahme, dass Available-Light-Fotografen immer und überall arbeiten können, müssen sie in der Regel genau planen, was sie wann und wo fotografieren, um ihre Fotoidee umzusetzen.

Was ist Licht?

Rein physikalisch ist Licht eine elektromagnetische Strahlung in einem für das menschliche Auge sichtbaren Wellenbereich. Dieser sichtbare Teil des Lichts besitzt eine Wellenlänge zwischen circa 380 und 780 Nanometer. Darunter beginnt das ultraviolette Licht und darüber schließt sich der infrarote Bereich an. Diese beiden Spektralfelder können Menschen nur mit Hilfsmitteln wahrnehmen. Alle sichtbaren Farben befinden sich im Licht und ergeben zusammen ein reines Weiß. Wird Licht von Oberflächen reflektiert, filtern diese teils Farben heraus. Was bleibt, nehmen wir als Mischfarbe wahr. Die Wechselwirkung mit Materie kann verschieden ausfallen. Fotografen sollten wissen, dass Oberflächen das Licht streuen oder reflektieren, absorbieren und brechen können.

Hartes Licht

Kleine Lichtquellen erzeugen hartes Licht, wodurch auch harte Schatten entstehen (die Sonne ist im Verhältnis zum Himmel sehr klein). Der hohe Kontrast zwischen hell und dunkel lässt sich zwar als Stilmittel verwenden, die meisten Porträt-Fotografen versuchen jedoch, dies zu vermeiden, da dadurch unschöne Schlagschatten im Gesicht entstehen.

Weiches Licht

Weiches Licht ist des Fotografen Liebling und schmeichelt den meisten Motiven. Je großflächiger dabei die Leuchtquelle ist, desto weicher wird das Licht. Das geschieht zum Beispiel bei einem bewölkten Himmel oder wie hier bei Nebel, der das Sonnenlicht streut und somit die Strahlfläche der Sonne vergrößert. Weiches Licht lohnt sich unter anderem in der Porträtfotografie, da mit ihm Hautunebenheiten in den Hintergrund treten.

Lichtrichtung

Die Lichtrichtung beeinflusst maßgeblich die Bildwirkung und jede Richtung hat ihre spezifischen Vor- und Nachteile. Beispielsweise leuchtet Licht von vorne ein Motiv gleichmäßig aus, wirkt dabei aber oft langweilig. Gegenlicht hingegen ist ein beliebtes Gestaltungselement, um Silhouetten zu erschaffen, Lichtsäume einzubauen oder halbtransparente Motive wie etwa Blätter geheimnisvoll aufleuchten zu lassen. Das starke Streulicht verringert allerdings den Kontrast.

Atmosphäre

Das verfügbare Licht an einem Ort bestimmt die gesamte Atmosphäre. Beispielsweise geben Neonröhren in der Nacht einer Szene eine ganz andere Stimmung als hartes Sonnenlicht. Als Königsdisziplin für Available-Light-Fotografen darf Kerzenlicht gelten. Denn es leuchtet schwach, macht hartes Licht und bringt einen kräftigen Farbstich ins Bild. Aber es schafft eben viel Atmosphäre und kann eine echte Bereicherung für ein Motiv sein.

Bei eingeschalteter Beleuchtung wirken Motive am Abend ganz anders als am Tag.

Farbtemperatur

Nicht immer sind die im Licht enthaltenen Farben ausgewogen, wodurch ein Farbstich entsteht. Um dem entgegenzuwirken, könnt ihr die Farbe über den Weißabgleich manuell oder automatisch anpassen. Wenn ihr im RAW-Format fotografiert, könnt ihr einen Farbstich aber auch nachträglich entfernen oder bewusst hinzufügen. Beispielsweise um eine kältere oder wärmere Stimmung zu erzeugen. Der Farbton wird dabei als Farbtemperatur in der Einheit Kelvin angegeben. Lichtquellen mit einer niedrigen Farbtemperatur weisen eine rötliche Färbung auf. Quellen mit sehr hoher Farbtemperatur gehen ins Bläuliche.

Lichtquellen

In der Fotografie unterscheidet man zwischen Kunstlicht und natürlichem Licht. Während unter Letzterem in erster Linie das Sonnenlicht verstanden wird, gibt es bei künstlichen Lichtquellen viel mehr Abwechslung und Möglichkeiten. Wer sich beispielsweise nachts durch eine Innenstadt bewegt, wird sich vor leuchtenden Schildern, Straßenlaternen und anderen Lichtquellen kaum retten können. Doch eine Vielzahl unterschiedlicher Lichtquellen kann ein Bild schnell verderben. Denn jede von ihnen besitzt eine eigene Farbtemperatur und eine eigene Größe, was schnell unausgewogene Beleuchtungssituationen zur Folge hat.

Gerade Mischlicht – also eine Mischung aus mehreren Lichtquellen mit unterschiedlicher Farbtemperatur – kann unschöne Ergebnisse liefern. Da Fotografen an dem vorhandenen Licht aber nichts ändern können, bleibt ihnen nur, darauf mit Positionswechseln und einem sinnvollen Bildaufbau zu reagieren. Das ist in erster Linie eine Sache der Erfahrung, da jeder Ort eine spezielle Beleuchtung aufweist und ein Fotograf daher spontan reagieren und auch einfach Dinge ausprobieren muss. Hier hilft es auch, eine Location mehrmals zu unterschiedlichen Uhrzeiten zu besuchen und zu sehen, wie sich das Licht verändert.

Kunstlicht

In der Available-Light-Fotografie greift man nachts gerne auf Kunstlicht zurück, das zumeist aus Straßenbeleuchtungen, Reklametafeln und dem Scheinwerferlicht von Fahrzeugen besteht. Aber auch im Inneren von Gebäuden, wie etwa Konzerthallen oder U-Bahn-Stationen, können durch die Beleuchtung vor Ort atmosphärisch spannende Bilder entstehen.

Neonlichter und Straßenbeleuchtungen sind gute Kunstlichtquellen für Available Light-Fotos am Abend.

Sonne

Die Sonne ist die am häufigsten benutzte Lichtquelle in der Available-Light-Fotografie. Je nach Tageszeit und Wetter beschert sie uns unterschiedliches Licht und schafft unterschiedliche Stimmungen. Somit ist Sonnenlicht nicht gleich Sonnenlicht, und vor allem die Uhrzeit des Shootings hat große Auswirkungen auf eine Aufnahme. Im Allgemeinen kann man sagen, wenn der Himmelskörper morgens und abends tief steht, ist das Licht weicher, was für mehr Plastizität im Bild sorgt. Das bedeutet aber nicht, dass zu anderen Uhrzeiten keine schönen Fotos gelingen können. Man muss dann aber anders an das Shooting herangehen.

Goldene Stunde

Als Goldene Stunde gilt die Zeit kurz vor Sonnenuntergang und kurz nach Sonnenaufgang. Die tief stehende Sonne taucht die Welt dann in ein warmes, goldenes Licht.

Blaue Stunde

Die Zeit nach Sonnenuntergang bis zum Eintreten der Dunkelheit wird als Blaue Stunde bezeichnet. Das Restlicht der Sonne lässt den Himmel tiefblau strahlen.

Mittagssonne

Am Mittag steht die Sonne am höchsten und kann bei klarem Wetter ungehindert auf die Erde strahlen. Dadurch entsteht hartes Licht, was für teilweise unschöne harte Schatten sorgt. Die dunklen Schatten können aber auch kreativ ins Bild eingebaut werden, wenn euer Model zum Beispiel die Sonne mit der Hand abschirmt und so ein Schatten der Hand auf dem Gesicht zu sehen ist.

Bewölkt

Ein bewölkter Himmel streut das Sonnenlicht und weicht es somit auf. Je nach Wetterlage können dann besonders atmosphärische, aber auch monotone Bilder entstehen.

Fensterlicht

Available-Light-Fotografen müssen nicht draußen unterwegs sein, um Sonnenlicht nutzen zu können. Auch das Licht, das durch ein Fenster fällt, lässt sich für viele verschiedene Motive verwenden. Neben Porträt- haben auch Food-Fotografen diese Lichtquelle für sich entdeckt und viele von ihnen arbeiten ausschließlich damit. Denn es wirkt natürlich und weich und lässt so Speisen und Getränke richtig lecker aussehen. Hier ist es aber wichtig, wann man sich zu welchem Fenster begibt, da direktes Sonnenlicht störende harte Schatten auf das Essen wirft. Am besten eignen sich daher Nordfenster, da hier den ganzen Tag ein schönes indirektes Licht verfügbar ist. Ansonsten kann man aber auch mit weißem Backpapier oder der transparenten Fläche eines Reflektors für weiches Licht sorgen.

In der Food-Fotografie wird häufig mit Fensterlicht gearbeitet.