Hattet ihr auch schon mal das Gefühl, dass ein Foto beim Betrachten irgendwie „falsch“ aussah, ohne wirklich sagen zu können, woran das liegt? Die Antwort auf dieses Mysterium findet sich in der Anordnung bzw. Betonung der einzelnen Elemente im Bild. Je nachdem, wo man welche platziert und wie viel Raum man ihnen gibt, wirkt das ganze Foto plötzlich anders. Daher ist es für jeden Fotografen wichtig, zu verstehen, wie man Bilder aufbaut, damit sie ihre volle Wirkung entfalten. Eine gute Komposition ist aber keine reine Wissenschaft. Vielmehr ist es eine Kombination aus Wissenschaft, ein bisschen Kunst und dem eigenen „Bauchgefühl“, das man beim Betrachten seines Bildes hat. Gefällt es mir oder gefällt es mir nicht? Eine Frage, die kein Wissenschaftler oder Künstler für einen beantworten kann. Dennoch lohnt es sich, gängige Kompositionsregeln zu kennen und in vielen Fällen anzuwenden bzw. einfach auszuprobieren. Sie machen das Bild meist besser und wer möchte, kann die Regeln hinterher immer noch bewusst brechen.
Tipp 1: Drittel-Regel

Die Drittel-Regel ist einer der ältesten und einfachsten Kompositionsansätze in Bildern. Dafür müsst ihr das Bild gedanklich mithilfe von zwei waagerechten und zwei senkrechten Linien in neun gleich große Flächen aufteilen oder ihr lasst euch gleich ein 3 x 3-Raster auf eurem Kamera-Display einblenden. Positioniert anschließend euer Motiv auf einer der Linien (zum Beispiel den Horizont bei Landschaftsbildern oder die Augen eures Modells bei Porträts). Denn mittig gesetzte Objekte wirken zumeist fehlplatziert. Möchtet ihr zudem den Blick noch auf bestimmte Stellen lenken, könnt ihr diese zusätzlich auf einen der vier Schnittpunkte der Linien setzen. So legt ihr einen Schwerpunkt darauf.
Tipp 2: Goldener Schnitt
Zwar ist die Drittel-Regel die gebräuchlichste Art, das Bild aufzuteilen, bei Weitem aber nicht die einzige. Eine beliebte Alternative ist der sogenannte „Goldene Schnitt“. Der besteht ebenfalls aus vier Linien mit vier Schnittpunkten, positioniert aber wichtige Bildelemente mittiger. Dieses Raster unterteilt das Bild in einem Verhältnis von 1:0,618:1. Das bedeutet, dass der mittlere Abschnitt kleiner ist als die beiden äußeren. Der griechische Mathematiker Euklid bezeichnete das auch als das „göttliche Verhältnis“, da es auf Proportionen basiert, die häufig in der Natur zu finden sind. Wie auch bei der Drittel-Regel sollten dabei wichtige Bildelemente auf den Linien und auf deren Schnittpunkten liegen. Aber das ist noch nicht alles: Der Goldene Schnitt liefert auch die Proportionen für die Fibonacci- Spirale (die Schneckenform im Bild). Objekte sollten sich hier an den Linien entlang bewegen, während der Schwerpunkt am Ende der Spirale gesetzt wird.

Tipp 3: Ungerade Anzahl

Wenn ihr mehrere Personen oder Objekte in einem Bild zeigen wollt, achtet auf deren Anzahl. Ein oder zwei Motive funktionieren in der Regel gut. Ab drei habt ihr aber schon ein Harmonie-Problem, wenn die Objekte falsch platziert werden. Die einfachste Aufteilung ist, ein Objekt in die Bildmitte und die anderen beiden links und rechts bzw. darunter und darüber zu setzen (siehe Bild). Das funktioniert aber auch nur mit einer ungeraden Anzahl von Objekten wie drei, fünf, sieben etc. Bei einer geraden Anzahl ist die Verteilung viel schwieriger und oft auch nicht ratsam.
Tipp 4: Die Mitte meiden

Als Fotografie-Anfänger lässt man sich leicht dazu verführen, jedes Motiv in der Bildmitte zu platzieren. Allerdings wirken solche Fotos immer etwas statisch und langweilig. Abhilfe schafft beispielsweise die eben genannte Drittel-Regel oder der Goldene Schnitt. Man sollte diese Ansätze allerdings nicht überbewerten. Bewegt euer Motiv stattdessen einfach mal aus der Bildmitte heraus. So bekommt ihr ein Gefühl dafür, wie es mit der restlichen Komposition interagiert. Sucht zum Beispiel kontrastierende Farben oder Lichtpunkte. Es gibt auch keine festen Regeln für die visuelle Balance in euren Fotos. Folgt eurem Instinkt – ihr werdet erkennen, wann ein Bild wirkt. Selbst wenn euer Motiv dann ganz am Rand liegt.
Tipp 5: Bildformat

Schnell verfällt man in den Trott, jedes Bild mit der immer gleichen Ausrichtung zu fotografieren – zumeist im 3:2-Querformat und auf Augenhöhe. Wenn ihr das bei euch bermerkt, ist es an der Zeit, bewusst das Format zu ändern, die Position und Perspektive zu wechseln oder eine andere Brennweite für dasselbe Motiv zu verwenden. Etwa eignet sich das 16:9-Breitbildformat hervorragend für Landschaftsaufnahmen. Auch ein quadratischer Ausschnitt sorgt für Abwechslung.

Tipp 6: Führungslinie

Ein schlecht gestaltetes Foto lässt den ratlosen Betrachter im Unklaren, wohin er schauen soll. Der Blick wandert ziellos über das Bild, ohne einen Bezugspunkt zu finden. Führungslinien sind ein gutes Rezept, um den Blick des Betrachters durch das Bild zu lenken. Fluchtlinien verstärken die Perspektive und die dreidimensionale Tiefe eines Fotos. Sich schlängelnde Wege können die Augen auf eine Reise durch das Bild mitnehmen und schließlich zum Thema führen. In der Natur gibt es überall Linien, seien es Landschaftsformationen, Mauern, Zäune, Straßen, Gebäude oder Laternen. Dazu finden sich auch gedachte Linien, die zum Beispiel entstehen, wenn man dem Blick einer Person auf dem Foto folgt.
Tipp 7: Diagonalen

Horizontalen sagt man nach, für Ruhe und Ordnung im Bild zu sorgen, während die Vertikalen für Stabilität und Beständigkeit stehen. Um hingegen Spannung, Bewegung und etwas Ungewisses auszudrücken, solltet ihr Ausschau nach Diagonalen halten. Ihr braucht nur die Perspektive oder die Brennweite zu verändern. Weitwinkel-Aufnahmen enthalten aufgrund des größeren Bildwinkels oft schon Diagonalen oder zwingen zu einer ungewöhnlichen Position, aus der Diagonalen entstehen. Ihr könnt auch einfach mal die Kamera bei der Aufnahme kippen. Solche Bilder können sehr spannungsreich aussehen, passen aber nicht zu jedem Motiv.
Tipp 8: Bis zum Horizont

Euer Motiv richtig zu positionieren, ist ein wichtiger Punkt bei der Bildkomposition. Aber auch wenn das Motiv an der richtigen Stelle sitzt, kann dem Bild immer noch etwas fehlen: nämlich Tiefe. Viele Bilder wecken beim Betrachter erst dann Aufmerksamkeit, wenn der Blick förmlich hineingezogen wird – beispielsweise bei Landschaftsaufnahmen. Damit Tiefe entstehen kann, gibt es mehrere Möglichkeiten – angefangen bei der Wahl der Brennweite. Weitwinkel-Objektive sorgen nämlich dafür, dass der Vorder- und der Hintergrund optisch auseinandergezogen werden. Dadurch wirkt das Bild schon viel tiefer. Auch ist es sinnvoll, Objekte hintereinander zu staffeln. Das können die Bäume einer Allee, Häuser, oder auch ganz andere Objekte sein. Auf dem Beispielbild finden sich zum Beispiel im Vordergrund ein Fluss, im Mittelteil die Ebene, durch die sich der Fluss zieht, und im Hintergrund das Bergmassiv. Dass der Fluss in das Bild hineinfließt und so als Führungslinie fungiert, verstärkt den Tiefeneffekt zusätzlich.
Tipp 9: Weiter Blick

Wer über eine weite Entfernung sehen kann, bekommt auch Aufnahmen mit mehr Tiefenwirkung. Warum? Weil alle Objekte aufgrund von Wasserdampf und Luftverschmutzung in der Atmosphäre heller werden und weniger Kontrast aufweisen, je weiter entfernt sie von einem sind. Das bedeutet auch, dass dunkle bis schwarze Objekte dem Betrachter näher vorkommen als kontrastärmere und hellere. Wie ihr auf unserem Beispielbild erkennen könnt, entsteht so Tiefe. Die helleren Berge im Hintergrund heben sich deutlich von den dunkleren im Vordergrund ab, wodurch eine auffällige Staffelung entsteht. Dazu braucht es aber eine Aufnahmeposition, die eine erhöhte Position garantiert. Denn nur so reicht der Blick weit in die Tiefe.
Tipp 10: Das Motiv isolieren

Wenn ihr euch mit bloßem Auge ein Motiv anseht, wählt das Gehirn von selbst interessante Objekte aus. Eine solche Art der Auswahl kann die Kamera nicht treffen – sie fängt alles ein, was sich vor der Linse befindet. So entstehen oft überladene Bilder, die eine klare Ordnung und Übersicht vermissen lassen. Wählt eure Motive daher mit Bedacht und betont diese mit der passenden Brennweite und Kameraposition. So könnt ihr einen Teil des Motivs zum Beispiel mit einer Tele-Brennweite isolieren.
Tipp 11: Das Bild füllen

Falls ihr ein weit entferntes Landschafts- oder Stadtmotiv aufnehmt, ist es oft nicht leicht, den richtigen Zoom-Faktor zu bestimmen. Einer der häufigsten Fehler in der Bildkomposition besteht darin, zu viel leeren Platz zu lassen. So gerät euer Motiv kleiner, als es sein sollte, und der Betrachter fragt sich, worauf er seinen Blick lenken soll. Um dies zu vermeiden, solltet ihr so weit heranzoomen, dass euer Motiv das Foto füllt. Auf diese Weise schwächt ihr die perspektivische Verzerrung des Bildes ab, was die Entscheidung leichter macht, welche Bereiche ins Foto sollen und welche nicht. Natürlich könnt ihr auch näher an das Objekt herangehen, wodurch sich oft ungewöhnliche Blickwinkel ergeben.
Tipp 12: Hintergrund

Konzentriert euch nicht nur auf das Hauptmotiv, sondern seht euch auch den Hintergrund an. Normalerweise könnt ihr ihn nicht komplett ausblenden, aber ihr könnt ihn kontrollieren. Oft reicht es aus, die Position zu verändern, um einen störenden Hintergrund durch einen zu ersetzen, der das Motiv noch unterstreicht. Ihr könnt auch eine längere Brennweite oder eine größere Blendenöffnung einsetzen, um so den Hintergrund verschwimmen zu lassen. Es hängt allein davon ab, ob er Teil der Geschichte ist, die euer Foto erzählen soll.
Tipp 13: Freiräume
Auch wenn Fotos eingefrorene Momente zeigen, können sie extrem viel Bewegung enthalten. Wir sehen nicht nur, was das Bild darstellt, wir erfassen auch die eigentliche Situation. Wenn nun ein Motiv das Bild zu stark ausfüllt und für das Antizipieren von Bewegung keinen Platz mehr lässt, ist das ein Problem. Dieser Effekt entsteht nicht nur bei bewegten Motiven. Wenn ihr etwa ein Porträt aufnehmt und die Person in die Ferne blickt, benötigt das Foto unbedingt Freiraum, in den der Blick schweifen kann. Für beide Arten von Fotos gilt: Lasst euch vor dem Motiv immer mehr Platz als hinter ihm.

Tipp 14: Farben machen kreativ

Helle Primärfarben ziehen das Auge an, vor allem, wenn sie mit Komplementärfarben kombiniert werden. Es gibt aber noch andere Möglichkeiten, spannende Farbkontraste ins Bild zu bringen – etwa, indem man einen hellen Farbklecks auf ein Schwarz-Weiß-Foto tupft. Ihr braucht aber nicht zwingend starke Farbkontraste, um ein Bild interessant zu gestalten. Motive, die fast nur aus einem einzigen Farbton bestehen, können eine ganz besondere Wirkung erzielen. So ergeben Landschaften mit weichem Licht, die aus einer Palette zusammenpassender Farbtöne bestehen, oft die schönsten Bilder. Es kommt darauf an, das Motiv farblich zu isolieren oder einzurahmen.
Tipp 15: Regeln brechen
Die Komposition ähnelt der Sprache: Sie übermittelt die Botschaft eines Fotos. Doch so, wie wir uns manchmal absichtlich über die gängigen Regeln unserer Sprache hinwegsetzen, um einen Effekt zu erzielen, können wir uns auch über die Regeln für den Bildaufbau hinwegsetzen. Versehentliches Ignorieren zählt aber nicht! Um einen interessanten oder spannenden Effekt zu erreichen, muss man die Regeln der Komposition tatsächlich verstehen und sie mit voller Absicht missachten. Die beste Wirkung erzielt ihr, wenn ihr nur eine Regel brecht. So könnt ihr zum Beispiel ausprobieren, wie es bei einem Porträt wirkt, wenn ihr die porträtierte Person am Bildrand aus dem Bild herausblicken lasst. Der Betrachter folgt diesem Blick und wird ebenfalls aus dem Bild gezogen.